Eigentlich hätte er mehr Stimmberechtigte erwartet, zeigte sich der Gemeindepräsident Jean-Philippe Pinto schon fast etwas enttäuscht. War doch die Vorberatung der neuen Gemeindeordnung traktandiert, der Grundstein für einen Zusammenschluss von Politischer Gemeinde und Schulgemeinde. Mehr als 108 Stimmberechtigte liessen sich dafür aber nicht in die Kuspo Gries locken. Mit einer Einzelinitiative von Klaus Näder aus dem Jahr 2019 war das Politikum initiiert worden. Im Mai 2022 wurde die Initiative an der Urne für erheblich erklärt. Dazwischen gingen die Wogen zwischen Gemeinderat und Schulpflege hoch. Am Freitagabend war von den einstigen Fronten so gut wie nichts mehr zu spüren. Mit ein- und demselben Ziel vor Augen, die neue Gemeindeordnung zur Annahme zu empfehlen, standen Gemeindepräsident Pinto und Raffaela Fehr, Präsidentin der Schulpflege, am Rednerpult. "Es war kein einfacher Prozess. Die beiden Gemeinden mussten sich zuerst finden", blickte Pinto auf die zahlreichen Sitzungen der vergangenen zwei Jahre zurück. Doch die beiden Behörden hätten sich zusammengerauft, um diese grosse Aufgabe, ein Auftrag der Stimmbürger, umzusetzen. Das vorliegende Regelwerk sei zwar nicht perfekt, wie Pinto einräumte. "Letzten Endes ist es aber ein Kompromiss, ein Volketswiler Kompromiss." Fehr betonte in ihren Ausführungen, dass die Autonomie der Schule auch in Zukunft gewahrt werde, indem die Schule direktes Antragsrecht an die Gemeindeversammlung habe, über eine identische Finanzkompetenz verfüge, sich auf eine eigenständige, paritätisch zusammengesetzte Liegenschaftenkommission abstützen könne und die Leitung der Schulverwaltung dem Schulpräsidium unterstellt sei. Ferner seien die Aufgaben und Kompetenzen der bisherigen Schulpflege im Kernbereich Bildung und Betreuung unverändert in die neue Gemeindeordnung integriert worden.
Eine kleine Streichung
Die Rechnungsprüfungkommission habe sich intensiv mit der totalrevidierten Gemeindeordnung auseinandergesetzt und nur "geringfügige Veränderungen" bei den finanziellen Kompetenzen festgestellt, wie ihr Präsident Michael Wyss ausführte. Als Vorteil hob Wyss die Neuerung hervor, dass Bauabrechnungen, welche innerhalb des Budgets abschliessen, künftig nicht mehr der Gemeindeversammlung vorgelegt werden müssen. Weiter begrüsste der RPK-Präsident auch die Schaffung einer Geschäfts- und Rechnungsprüfungskommission, was dazu führe, dass sich die Verantwortung seiner Kommission gegenüber dem Souverän vergrössern werde.
Artikel um Artikel führten Pinto und Fehr gemeinsam durch das 62-teilige Dokument. Bei Artikel 25 stellte der Stimmbürger Heinz Brüngger einen Streichungsantrag. Es dürfe nicht sein, dass der Gemeinderat ermächtigt werde, private Strassen, Kanalisationen und Wege zu enteignen und ins öffentliche Gemeindegut zu überführen. Pinto beschwichtigte, dass es keine Enteignungen gebe und erinnerte daran, dass es in den letzten zehn Jahren überhaupt keine Übernahmen von privaten Strassen durch die Gemeinde mehr gegegeben hätte. Pinto präzisierte, dass dies nur auf Antrag der Grundeigentümer und im öffentlichen Interesse überhaupt möglich wäre. Mit der Streichung des erwähnten Passus aus der Gemeindeordnung - so wie beantragt - könnte sich der Gemeinderat aber gut arrangieren. Mit 88 Ja- zu 3 Nein-Stimmen folgten die Stimmberechtigten dem Antrag von Heinz Brüngger.
In der allgemeinen Debatte vor der Schlussabstimmung stützten die Ortsparteien den gemeinsamen Ja-Antrag von Schule und Politischer Gemeinde. Sarah Fischer von der Mitte sprach von einem "vernünftigem Kompromiss und einer aktuell "bestmöglichen Lösung". Der SVP-Vizepräsident Dejan Malcic würdigte, dass die Interessen der beiden Gemeinden angemessen vertreten seien. Christina Atland, Vertreterin von der FPD, legte dar, dass die Vorlage in ihrer Partei lang, breit und tief diskutiert worden sei. Und Andreas Pinsini, Präsident der Grünliberalen lobte: "Zwei Gremien haben sich überzeugend zusammengerauft."
Kein Graben zwischen Personal und Behörde
Yves Krismer, ehemaliger Schulpräsident, sprach sich weder für noch gegen die Vorlage aus, - "entscheiden Sie wie Sie wollen" - appelierte aber an die Stimmbürger, nicht den Personen zu folgen, die heute auf dem Podium sässsen, sondern das zu unterstützen, woran man persönlich glaube. Für ihn sei das Thema Einheitsgemeinde ein "Augenöffner in Sachen Transparenz und Zusammenarbeit in der Gemeinde Volketswil." Als er noch im Amt war und das Dossier Einheitsgemeinde betreute, sei es ihm stets wichtig gewesen, für die Schule einen ehrlichen Weg zu finden. Weiter bemängelte Krismer, dass er bislang noch nichts über die Vor- und Nachteile der Einheitsgemeinde gehört habe. In die gleiche Stossrichtung ging das Votum der ehemaligen Lehrerin Vroni Harzenmoser. "Wo bitte liegt der Mehrwert für die Schule und Kinder?" Sie habe die Entwicklung der Volketswiler Schule in den vergangenen 50 Jahren miterlebt. Grundsätzlich sei sie nicht gegen Neuerungen. Aber sie habe eben ihre Mühe damit, die positiven Entwicklungen der letzten Jahre nun freiwillig aufs Spiel zu setzen. Ein weiterer Alt-Schulpfleger warnte von einem Graben zwischen Schulpersonal und Behörden, sollte die Einheitsgemeinde Realität werden. Schulpräsident Fehr konnte letztere Befürchtungen aus dem Weg räumen: An den Sitzungen der Schulfplege seien stets auch die Schulleitungen mit dabei und würden ein Stimmungsbild vermitteln. Sie spüre aktuell keinen Graben zwischen Schulpflege und Lehrpersonal.
Mit 85 Ja- zu 18 Nein-Stimmen verabschiedeten die Stimmberechtigten die minim abgeänderte Gemeindeordnung mit einer Ja-Parole an die Urnenabstimmung vom Sonntag, 22. September. Sollte der Souverän der Vorlage ebenfalls zustimmen, wird an der Gemeindeversammlung vom 12. Dezember 2025 erstmals ein gemeinsames Budget vorgelegt. Endgültig tritt die neue Gemeindeordnung aber erst am 1. Juli 2026 in Kraft.
Zwei Mahnfinger in Richtung VitaFutura
"Ein schönes Ergebnis" durfte der Gemeindepräsident zu Beginn des Abends vorlegen. Die Jahresrechnung, welche dank hohen Grundsteuereinnahmen ein Plus von etwas mehr als 15 Millionen Franken aufweist. Erstmals, so zeigte Pinto in seiner Funktion als Finanzvorstand anhand einer Grafik auf, liegt das Eigenkapital über 100 Millionen Franken. Sorgen bereiten Volketswil aber die juristischen Personen. Sie würden mit knapp zwei Millionen Franken noch kaum etwas zu den Einnahmen beisteuern. Der Wegzug der LaPrairie-Group nach Zürich dürfte die Situation in nächster Zukunft noch verschärfen. Michael Wyss, Präsident der RPK bedauerte, dass Volketswil nicht von der kantonalen, positiven Entwicklung der Steuerkraft pro Kopf profitieren könne. Den Mahnfinger hielt Wyss erneut in Richtung VitaFutura. Mit 1,5 Millionen Franken Abschreibungen auf der Beteiligung der Steuerzahler erwarte die RPK von den Verantwortlichen einschneidende Massnahmen.
Stimmbürger Thomas Brunner wies in seiner Wortmeldung darauf hin, dass die Auslagerung der VitaFutura in eine private Aktiengesellschaft der richtige Entscheid gewesen sei und schob auch gleich die Gründe dafür nach. Aber auch er mahnte: "Der Verwaltungsrat hat die Pflicht, die Liquidität laufend zu kontrollieren und zu informieren, wenn die Zahlen nicht dem Soll entsprechen." Vom Gemeinderat wünschte er sich eine genauere und fairere Budgetierung der Grundstückgewinnsteuern und zog dabei die Praxis der Gerichte beim Berechnen der Alimente in Scheidungsfällen als Beispiel heran. Einstimmig wurde die Rechnung 2023 der Politischen Gemeinde schliesslich gutgeheissen. Keine Wortmeldungen gab es zur ebenfalls positiv abgeschlossenen Rechnung der Schulgemeinde, die im späteren Verlauf des Abends, nach der Präsentation durch den Finanzvorstand Matthias Lüthi, mit klarer Mehrheit der 102 noch anwesenden Stimmberechtigten abgenommen wurde.
Heilpädagogische Schule Volketswil geplant
Für einen Primeur sorgte Raffaela Fehr in ihren allgemeinen Informationen aus der Schulgemeinde. Demnach befasst sich die Schulpflege intensiv mit der Gründung und dem Betrieb einer Heilpädagogischen Schule in Volketswil. Der Bau dafür ist auf dem "roten Platz" bei der Schulanlage Lindenbüel vorgesehen. Als Gründe nannte Fehr unter anderem die unzureichende Anzahl Plätze im Bezirk Uster. "Eine angemessene Beschulung von betroffenen Kindern ist aktuell nicht möglich". Der Kanton habe sein Einverständnis für sieben Klassen signalisiert. Genaueres über das Projekt werden die Stimmberechtigten spätestens an der ausserordentlichen Gemeindeversammlung vom Freitag, 13. September erfahren.
Mehr Werthaltung anstatt Paragraphen
Vorgängig zur Schulgemeindeversammlung haben Michael Grüebler, Tobias und Michael Ulrich aus dem Kreise der Grünen Partei eine Anfrage gemäss Paragraph 17 des Gemeindegesetzes zum Thema "Schutz der Lehrpersonen und Prävention von Diskriminierung aufgrund von Sexualität, Geschlecht und Gender" eingereicht. Im Nachgang der kürzlich erfolgten Kündigung einer homosexuellen Lehrpersonen in Pfäffikon ZH, wollten die drei Fragesteller im Grundsatz wissen, wie die Schule Volketswil ihr Personal vor diskriminierenden und übergriffigem Verhalten, insbesondere von Eltern/Erziehungsberechtigten schützt. Weiter wollten sie in Erfahrung bringen, ob dazu ein entsprechendes Konzept besteht und ob die Schule niederschwellige Anlauf-/Meldestellen für Lehrpersonen und oder Schülerinnen sowie Schüler unterstützt. Zusammenfassend hielt die Schulfplege in ihrer Antwort fest, dass in Volketswil eine gute Rechtsgrundlage und ein umfangreiches Regelwerk zum Schutz vor Diskriminierung bestünden. Ausserdem seien sowohl für Schülerinnen und Schüler und deren Eltern als auch für die Mitarbeitenden verschiedene Ansprechstellen vorhanden. Die Schulpflege werde alle involvierten Stellen noch einmal für die Thematik sensibilisieren. In einer kurzer Replik zeigte sich Mitunterzeichner Michael Grüebler enttäuscht über die Antwort der Schulpflege. Die Schule habe zwar sehr ausführlich und mit vielen rechtlichen Hinweisen geantwortet. Anstatt das Zititieren von Paragraphen, hätte er sich etwas mehr Werthaltung gewünscht. Auf eine Diskussion verzichtete Grüebler aber.
Kabelnetz: Gemeinderat will verkaufen
Eine weitere Anfrage nach Paragraph 17 des Gemeindegesetzes - zum Volketswiler Kabelnetz - ging an die Adresse des Gemeinderates. Absender war der Stimmbürger Thomas Brunner. Bereits in der Jahren 2016 bis 2018 habe er als Mitglied der örtlichen RPK mehrfach darauf hingewiesen, dass es sich der Gemeinderat zur vordringlichen Aufgabe machen sollte, über die Verwendung beziehungsweise die Veräusserung des Kabelnetzes zeitnah werterhaltende Entscheidungen zu treffen beziehungsweise den Verkehrswert raschmöglichst zu realisieren. 2018 sei dieser Wert vom Gemeinderat noch mit zirka elf Millionen Franken beziffert worden. Inzwischen, so vermutete Brunner in seiner Anfrage, dürfte sich der Betrag halbiert haben, da da die coaxialen Kupferleitungen nicht mehr den heutigen technischen Anforderungen entsprächen. Durch überlanges Zuwarten laufe die Gemeinde weiter Gefahr, dass Modernisierungs- sowie Unterhaltsinvestitionen aus Steuergeldern bezahlt werden müssten, weil die erhobenen Gebühren dafür nicht genügen würden. Denn das Konto der Spezialfinanzierung werde seit zirka sechs Jahren jährlich um 100'000 Franken zugunsten der allgemeinen Gemeindekasse reduziert, wodurch die nötigen Finanzen für die technische Aufrüstung fehlten, so Brunner weiter. Zusammenfassend wollte das ehemalige RPK-Mitglied wissen, was der Gemeinderat mit dem Kabelnetz zu tun gedenkt. In seiner dreiseitigen Antwort hob der Gemeinderat hervor, dass sich die Gemeinde seit der Auslagerung von Betrieb und Unterhalt des Netzes an die Sunrise GmbH nur noch auf ihre Rolle als Eigentümerin beschränke. Aus finanzieller Sicht habe das Kabelnetz in den vergangenen Jahren schwarze Zahlen geschrieben und weise ein gesundes finanzielles Polster auf. Und betonte: "Auch wenn dem Gemeinderat seit längerer Zeit klar ist, dass der Betrieb eines Kabelnetzes keine hoheitliche Aufgabe des Gemeinwesens darstellt, profitierten sowohl die einzelnen Kunden als auch der der Steuerhaushalt bis heute vom Betrieb." Der Gemeinderat ist sich aber bewusst, dass angesichts der Marktverhältnisse ein weiteres Zuwarten mit einem Verkauf nicht angezeigt ist. Aus diesen Gründen hat er sich seit Sommer 2023 mit verschiedenen Verkaufsoptionen auseinander gesetzt und wird der Gemeindeversammlung vom 13. September ein entsprechendes Geschäft unterbreiten. Die Katze aus dem Sack lassen konnte die dafür zuständige Vorsteherin Tiefbau und Werke, Karin Ayar, zwar noch nicht. Aber sie lud die Anwesenden zu einer Informationsveranstaltung ein, welche am 2. Juli stattfinden wird. "Es wird auf alle Fälle spannend", so Ayar. In einer Stellungnahme sah Brunner in der Antwort des Gemeinderates "sehr viel Spielraum für Interpretationen".