Kulturell hat vor allem der Calvinismus aus Genf die Gegend rund um den See stark geprägt. Gerade der Calvinismus nimmt das Bilderverbot sehr ernst und denkt es mit erstaunlichen Resultaten weiter. «Du sollst dir von Gott kein Bildnis machen», so heisst das erste der zehn Gebote. Grundsätzlich richtet sich dieses Gebot gegen die Kultpraxis der damaligen Zeit: Man errichtete seinen Göttern Statuen und Symbole, die man verehrte, als wären sie diese Götter selber. Man betete im wahrsten Sinne des Wortes also wirklich Stein und Holz und Metall oder gar die Schöpfung und nicht den Schöpfer an. Das Gebot wurde dann später weitergedacht: Man solle sich von Gott generell kein Bild machen, auch nicht gedanklich oder mit heutigen Worten gesagt virtuell, denn: Gott ist grösser und immer weit viel mehr, als Menschen sich vorstellen können. Mit unserem begrenzten Geist, unseren limitierten Bildern erfassen wir Gottes Grösse nie. Gott lässt sich auch nicht zwischen zwei Buchdeckel pressen. Im Gegenteil, wir zwängen Gott mit unseren Bildern nur in Formen, über die wir dann verfügen und die wir uns zu eigen machen wollen; Gott ist dann so, wie ich es will und es mir nützt – und das ist wirklich Hybris, ein Frevel im wahrsten Sinne des Wortes. «Du sollst dir von Gott kein Bildnis machen.» Der Calvinismus denkt das nun kreativ weiter: Wir können und sollen uns kein Bild von Gott machen, wir erkennen seinen Schöpfergeist aber in der Natur: in der Schönheit und Vielfalt der Pflanzen mit ihren Blüten. Und das hat viel Wahres, denn heute wissen wir: Pflanzen und vorab Blumen sind nach geometrischen Regeln wir der Fibonacci-Folge aufgebaut; alles in der Natur scheint aufeinander ab- und eingestimmt zu sein, folgt Regeln und Gesetzen und scheint irgendwie «konstruiert» zu sein. Hinter der Natur steht so etwas wie ein «Mastermind», ein kreatives Bewusstsein. Die Naturwissenschaft mag das Evolution oder schlichtweg «die Natur» nennen, aber ist dieser kreative Geist hinter den Naturgesetzen wirklich etwas anderes als das, was wir auch Gott nennen? Die Natur in ihrer Ästhetik und Ordnung ist für den Calvinismus ein Gottesbeweis, ein Ausdruck von Gottes Schöpfergeist – und ihn darf man darstellen, beschreiben und in Form von Pflanzen wie Blumen kultivieren, hegen und pflegen. Botanik ist auch Gottesdienst. Deshalb entspringen ein paar der schönsten Naturbeobachtungen und Beschreibungen und Darstellungen von Pflanzen diesem calvinistischen Erbe – hier am Neuenburgersee. «Du sollst dir von Gott kein Bildnis machen – aber schaut die Lilien auf dem Feld und erkennt so Gottes Schöpfergeist.» Sonnige Tage in der Natur wünscht Ihnen
Pfarrer Roland Portmann