Für viele war es doppelt schlimm in den letzten 1,5 Jahren: Pandemie und weiteres Leid. Für mich stellt sich daher nicht so sehr die Frage, woher das Leid kommt. Das kann man mit gesundem Menschenverstand und wissenschaftlicher Weltsicht illusionslos beantworten. Meine Frage ist viel mehr: Wie schaffe ich es, nach erlebtem Leid nicht zu verbittern und neue Lebensfreude zu finden? Und hat der Glaube etwas damit zu tun? Wenn ich nicht denke, dass ein Gott mich absichtlich straft und erzieht, ist das schon heilsam für die Leidbewältigung. Im Roman «Die Hütte» wird die fiktive Geschichte eines Vaters geschildert, dessen Tochter ermordet wurde. Der Autor William Paul Young legt dort Gott folgende Worte in den Mund: «Ich bin in der Lage, sogar aus den entsetzlichsten Tragödien noch unglaublich viel Gutes entstehen zu lassen. Aber das bedeutet für mich nicht, dass ich die Tragödien will. Ich benötige sie nicht, um meine Absichten zu verfolgen. Für die Gnade ist es nicht erforderlich, das Leid existiert. Aber dort, wo Leiden ist, wirst du immer auch die Gnade finden, in vielen Facetten und Farben.» Ich finde dieses Gottesbild erfrischend und entlastend. Weitergedacht, würde das sogar heissen: Noch nicht einmal der Kreuzestod Jesu wäre nötig gewesen, um die Menschen zu erlösen. Gott hätte sonst auch andere Wege gesucht. Aber weil Jesus so echt und mutig lebte, kam es zur Tragödie. Er machte keine Abstriche bei seinem radikal liebenden Gottesbild, das er verkündete, auch wenn das gefährliche Feinde anzog. Ich muss also nicht fürchten, dass Gott mir das Leid geschickt hat. Es liegt in der Natur, dass es Leid und Tod gibt. Aber ich kann mich auf Gottes Gnade im Prozess der Leidverarbeitung verlassen. Gott will nicht, dass ich verbittere und mein Herz verschliesse. Er ist der grosse Herzbewahrer. Wenn ich es schaffe, mich von Hass und Bitterkeit zu lösen und mich mutig wieder dem Leben und der Liebe öffne, kann alles anders und besser werden. Es braucht viel Kraft, diesen Schritt immer wieder zu tun. Aber ich werde feststellen, dass der innere Kern meiner Persönlichkeit noch intakt ist. Unser Herz verkraftet mehr, als wir ihm zutrauen. Und so ist es nicht naiv, sondern lebensbejahend, sich selbst diese Worte zu sagen: «Sei sanft. Erlaube der Welt nicht, dein Herz zu verhärten. Erlaube dem Schmerz nicht, dich in den Hass zu führen. Erlaube der Bitterkeit nicht, dir deine Liebenswürdigkeit zu nehmen. Sei stolz darauf, dass sogar, wenn der Rest der Welt dir widerspricht, du immer noch glaubst, dass diese Erde ein wunderschöner Ort ist.»
Michaele Madu, katholische Pfarrei
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