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Das Kreuz mit der Wurst

Erstellt von Roland Portmann, reformierter Pfarrer | |   Unsere Zeitung

An einem der letzten Samstage wurde im Griesspark zu einem «Grilling without killing» eingeladen. Man durfte dort selber vege­tarische beziehungsweise vegane Grillwaren mitnehmen. Wer aber spontan ohne etwas vorbeikam, wurde dort mit veganen Produkten verköstigt. Auch ich war mit meiner Familie und mit Freunden da und legte mein veganes Schnitzel auf den Grill.

Essen ist heute wieder ein Thema, ja sogar ein Politikum. Bereits in der Bibel wurde darüber debattiert, was denn der Mensch essen soll und darf und was nicht. Das Alte Testament ist voll mit Speisevorschriften, die bis heute im Judentum gelten. Und auch im Neuen Testament streiten sich Judenchristen und Heidenchristen darüber, ob auch Heidenchristen die jüdischen Speisegebote einhalten müssen. Am Apostelkonzil einigen sich Petrus und Paulus: Heidenchristen sind von den Speisegeboten befreit. In Korinth streitet man sich darüber, ob Christen Götzenopferfleisch kaufen und konsumieren dürfen. Auch das hält Paulus eigentlich für unbedenklich, solange man damit nicht andere brüskiert. Und bereits auch Jesus hält fest: «Nicht was durch den Mund in den Menschen hineingelangt, sondern was aus dem Mund des Menschen herauskommt, macht unrein.» Christen dürfen also essen, was sie wollen – sie sollen eher auf ihr Gedanken und auf ihr Mundwerk achten. Auf der «Nahrungsebene» scheint die Diskussion also geklärt. Auf der Ebene der Diskussion um die Er­haltung der Schöpfung und die Mit- ­geschöpflichkeit von Tieren sieht das Ganze aber anders aus: Die Auf­gabe des Menschen ist es gemäss der Bibel, Gottes Schöpfung zu verwalten. Gott überantwortet dem Menschen seine Welt.

Es ist also bis heute an uns, etwas «daraus» zu machen beziehungsweise die Schöpfung in ihrer Vielfalt zu hegen und zu pflegen. Diesem Auftrag kommen wir mehr als «stiefmütterlich» nach, im Gegenteil: Wir beuten diese Leihgabe schamlos aus. Wir «versklaven» unsere Mitgeschöpfe und degradieren sie zu Energie- und Proteinquellen. So war das nach der Bibel von Gott nicht gedacht. Der fiktive Urzustand des Paradieses, dem Garten Eden, zeigt ein anderes Bild: Mensch und Tier leben hier nicht voneinander, sondern miteinander in Harmonie. Sie alle ernähren sich von den Früchten der Natur. Natürlich ist das nur ein «Idealbild», dass es so vielleicht nie gegeben hat. Aber es ist ein Idealzustand, an dem man sich auch heute noch orientieren kann. Wir wissen heute, dass unser Fleisch­konsum einer der grossen CO2-Verursacher und Energiefresser ist. Wir wissen, dass Tiere in der Massentier­haltung unter grauenhaften Bedingungen leben müssen. Wir wissen auch, dass zu viel und zu fettiges Fleisch ungesund ist. Wir wissen auch, dass es heute gute Alternativen gibt: Fleisch vom Bauernhof aus der Region, Reduktion von Fleisch durch mehr Gemüse oder vegetarische oder vegane Produkte usw. … 

Wollen wir unseren Auftrag als Verwalter dieser Welt also nachkommen, so müssen wir modern mit der Bibel sagen: «Was jeder und jede essen will, ist grundsätzlich Wurst beziehungsweise Salat, aber angesichts des Leids der Tiere und der Klimakrise sollten wir Alternativen in Betracht ziehen.» Ich selber bin zwar ein klassischer «Fleisch­tiger», versuche aber trotzdem, meinen Fleischkonsum zu reduzieren und nachhaltig zu gestalten. Und nebenbei: Die «Alternativen» schmecken zum Teil auch sehr lecker – probieren Sie es aus! 

Roland Portmann, reformierter Pfarrer

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