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"Den Seinen gibt's der Herr im Schlaf"

Erstellt von Roland Portmann, reformierter Pfarrer | |   Unsere Zeitung

Der Mensch braucht im Durchschnitt sieben Stunden Schlaf, um vollständig ausgeruht zu sein. Schlaf ist als Erholungsphase des Körpers und des Geistes lebensnotwendig. Auf das Potenzial des Schlafes verweist auch die Bibel: «Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf» kann ich da in Psalm 127 lesen.

Man lächelt vielleicht zuerst einmal ein bisschen darüber und denkt vielleicht: Das ist ja sehr schön, dass die, die nichts machen, die Faulpelze, einfach vom lieben Gott am Schluss das bekommen, was sie eigentlich gar nicht verdient haben, denn: Den Seinen gibt’s der Herr ja im Schlaf! Ganz so ist das aber nicht gemeint. Gott belohnt hier nicht einfach die «Nichtstuer». Dieser Vers verweist auf die Grenzen und die damit verbundenen Möglichkeiten der menschlichen Handlungsfähigkeit. Im Schlaf sind wir ganz und gar passiv. Natürlich: Unser Gehirn, unser Körper arbeitet, verarbeitet weiter. Aber aktiv, bewusst habe ich im Schlaf keinen Einfluss auf meinen Körper oder meine Umwelt, auf mein Leben. Der Vers zeigt hier eine wichtige, vielleicht manchmal schmerzliche Wahrheit auf: Der Schlaf ist genauso wichtig wie das Wachsein oder anders gesagt: Dann wenn ich nichts tue, wenn ich gar nicht handeln kann, dann geschieht für mein Leben und in meinem Leben genau so viel wie dann, wenn ich vermeintlich gestalte und entscheide, wenn ich mein Leben selber in die Hand nehme. Loslassen, an mir geschehen lassen ist genauso wichtig. Es geschieht sehr viel, wenn ich nichts tue. Manchmal kommt es sogar besser, wenn ich nichts tue, wenn ich «schlafe» im übertragenen Sinn. Wenn ich mal nicht eingreife und warte. Ganz vieles im Leben kann ich gar nicht selbst bestimmen, wahrscheinlich mehr, als ich meine und mir lieb ist. In vielem bin ich fremd bestimmt. Es beginnt schon bei der Geburt: Der Ort, das Land, in dem ich geboren worden bin, hat einen sehr grosen Einfluss auf mein Leben, und das zieht sich dann durch meine ganze Biografie: Ich bin fremd bestimmt, ob ich das will oder nicht. Das heisst eben auch dann, wenn ich schlafe, geschieht ganz viel, das für mein Leben wichtig ist; sei es in meinem nächsten Umfeld oder gar in Amerika, China oder Russland – Gutes wie Böses. Der Vers lehrt mich auch: Ich bin eigentlich nicht so wichtig. Die Welt funktioniert auch ohne mich. Ich kann mich im Schlaf gut sieben bis acht Stunden aus dem Betrieb nehmen und abmelden. Der Bibelvers ist aber vor allem positiv gemeint, als Glaubensaussage, als eine lebensbestimmende Hoffnung also: «Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf»: Das ist die Hoffnung, auch die Überzeugung, dass auch dann Gutes passieren kann, wenn ich selber nicht aktiv bin. Ich brauche nicht immer hyperaktiv mein Leben zu gestalten und die Welt verändern zu wollen. Ich darf auch ab und zu Dinge an mir geschehen lassen. Das im Vertrauen darauf, dass ich sogar auch in Situationen, in denen ich hilflos und verletzlich bin wie eben im Schlaf, schlussendlich von guten Mächten, von Gott getragen werde und mir Gutes widerfährt. So wünsche ich uns einen guten, erholsamen Schlaf mit viel Gutem darin.

Roland Portmann, reformierter Pfarrer

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