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Der Mensch: keine Maschine

Erstellt von Franziska Ricklin, reformierte Kirche | |   Unsere Zeitung

«Ich muss meine Akkus wieder mal richtig aufladen.» Wenn meine Freundin, als sie das gestern sagte, nicht gerade den Laptop in der Linken und das Handy in der Rechten gehabt hätte – ich hätte sie bestimmt auf Anhieb verstanden. So aber brauchte es erst einen Blick in ihr müdes, ja etwas abgekämpftes Gesicht. Sie meinte nicht die Energiespeicher ihrer Geräte, sondern ihre eigenen. Wahrscheinlich kommen wir gar nicht darum herum, uns mit den Geräten zu vergleichen, die uns fast unablässig umgeben. Erst recht jetzt, wo wir noch mehr Zeit vor unseren Bildschirmen verbringen und die Gesichter vertrauter Menschen nur noch in virtuellen Meetings sehen.

Unser Wissen ist veraltet? Wir brauchen ein Update. Unsere alte Festplatte bleibt zu oft hängen? Wir brauchen eine neue. Da haben wir's: Zu weit sollten wir die Vergleiche dann vielleicht doch nicht treiben. Schliesslich sind wir nicht einfach innen Soft- und aussen Hardware. Und, da wir schon dabei sind, der Austausch mit ganz oben lässt sich nicht auf Up- und Download reduzieren. Warum greifen wir trotzdem so oft nach solchen Bildern? Klar, wir lieben ihre Anschaulichkeit. Aber sind wir auch denkfaul und überlegen uns die Sache zu wenig gründlich? Oder sind wir von geheimen Sehnsüchten getrieben: möchten so zuverlässig funktionieren wie eine Maschine, schnell sein wie ein Superrechner, neu und ohne Kratzer, wenigstens für ein paar Wochen, wie ein frisch gelieferter Apparat? Sosehr solche Vergleiche auf den Punkt bringen, was wir meinen, sie transportieren doch immer auch etwas, was gar nicht zu uns Menschen passt. Wenn wir es damit übertreiben, degradieren wir uns zu einem Spielzeug oder einem Gerät, zu einem gadget oder einem device. Dabei ist das, was uns Menschen von Maschinen unterscheidet, doch ein Segen: Wir sind nicht normiert wie PC, gehören nicht schon im fünften Lebensjahr zum Elektroschrott, und zum «Akkus laden» bevorzugt jeder Mensch eine etwas andere Steckdose und eine etwas andere Spannung.

Franziska Ricklin, Sozialdiakonin Reformierte Kirche

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