«Ich glaubs nicht, Cubanito ist da, ich will ein Selfie mit ihm», ruft ein Junge aufgeregt zu seinem Schulkollegen. Schnell bildet sich um den jungen Mann mit dem gelben Cap eine grosse Menschentraube. Fotos werden gemacht, Unterschriften auf alle möglichen Gegenstände, wie etwa Schuhe, verlangt. Die Primar- und Sekundarschüler vom Schulhaus Lindenbüel können ihr Glück kaum fassen. «Krass, dass ich dies erleben darf», so ein Mädchen, das mit dem jungen Youtube-Star aus der Schweiz ein Selfie machen kann. Der Ansturm auf den YouTuber wird unterbrochen, als die Lehrerinnen und Lehrer ihre Schüler in die Klassenzimmer zurück zum Unterricht rufen. Die Szene, die sich in der 10-Uhr-Pause auf dem Pausenplatz des Schulhauses abspielt, steht schon fast symbolisch für den eigentlichen Grund des Besuches von Cubanito, der mit bürgerlichem Namen Louis Berger Gonzales heisst. Der YouTuber ist einer der Referenten, der am Smart Camp in Volketswil teilnimmt, einer dreitägigen Veranstaltung, welche die digitalen Medien und ihre Auswirkungen auf den Alltag der Schüler in den Fokus stellt.
«Lindenbüel» als Schweizer Pilotschule
Die Volketswiler Schule Lindenbüel ist dabei Pilotschule in der Schweiz. Zum ersten Mal finden die kostenlosen Smart Camps aus Deutschland hierzulande statt. Sie werden durchgeführt und organisiert von BG3000, einem Social Impact Start Up aus Bonn – und im Fall von Volketswil auch von diesem finanziert. Die BG3000 hat sich das Ziel gesetzt, digitale Bildung in Deutschland – und erstmals auch in der Schweiz – voranzutreiben. Bei dem dreitägigen Camp vom 12. bis 14. Juni mit rund 120 Jugendlichen aus der dritten Sekundarstufe der Schule Lindenbüel werden die interaktiven Workshops YouTube, Instagram, Smart Photography, MySimpleShow und Journalismus im digitalen Zeitalter angeboten. «In den Kursen fliesst das wichtige Thema Respekt im Netz immer wieder mit ein. Zudem animieren versierte Medienprofis wie Instagrammer und YouTube-Stars die Jugendlichen dazu, Social Media Tools aktiv zu nutzen. Sie lernen dabei die Gefahren als auch die Chancen der neuen Medien kennen», sagt Smart-Camps Pressesprecherin Verena Gemmel. Am ersten Tag gibt es zudem kurze Einführungen in die Workshops, hier werden auch Themen wie Sucht und digitale Medien, Hacking und Sicherheit im Netz oder Cybermobbing thematisiert.
Facebook als «Rentner-App»
Im Workshop «YouTube – broadcast yourself» führt Cubanito, der einen YouTube-Kanal mit 3780'000 Abonnenten betreibt, in die Welt eines digitalen Influencers ein und zeigt den Jugendlichen, wie seine Videos entstehen. Mit Handy, iPad oder Videokamera ausgerüstet, dürfen sie zudem ihr eigenes Video machen. Einen Raum weiter steht der Workshop «Instagram entdecken» auf dem Programm. Auch hier steht ein Social Media Profi vor den Schülern. Die deutsche Influencerin Irina Engelke erreichte mit ihrem Instagram-Account @fashionambit und ihren gleichnamigen Blog über 300'000 Follower und lebte bis vor kurzem davon. «Zur Zeit mache ich aber eine Pause. Das viele Reisen ist mir zu anstrengend», meint die studierte Betriebswirtschafterin. Sie zeigt den Schülern auf, dass hinter dem von aussen glamourvoll wirkenden Leben als Influencerin viel Arbeit und Stress steckt und der Zwang, immer neue Sachen zu veröffentlichen, einem auch unter Druck setzen kann. Von den Jugendlichen im Workshop haben alle einen Instagram-Account, viele sind auch auf Snapchat aktiv. Auf die Frage, ob jemand ebenfalls professioneller Influencer werden möchte, hebt aber keiner der 15-Jährigen die Hand. Die meisten von ihnen beginnen in wenigen Wochen eine Berufslehre. Instagram benützen sie in der Freizeit zum Spass oder um sich über Trends etc. zu informieren. Facebook wird von der jungen Generation hingegen nicht mehr benutzt. «Das ist eine Rentner- oder Eltern-App», so ein Schüler. In den Workshops lernen die Jugendlichen auch, wie man Motive für Fotos gekonnt in Szene setzt, wie Journalismus im digitalen Zeitalter funktioniert, wie Fake-News entstehen oder wie man ein professionelles Erklärvideo selber herstellen kann. Zum Abschluss des Smart-Camps werden die von den Jugendlichen produzierten Beiträge aus den Workshops präsentiert.
Soziale Medien aktiv mitgestalten
Nach Volketswil geholt wurden das Smart Camp von Sekundarlehrerin Mera Nevzati. «Während meiner Internetrecherche zum Thema Digitalisierung als Unterrichtsgegenstand bin ich auf das Angebot aufmerksam geworden. Da unsere Schüler in einigen Wochen die Schule verlassen, möchten wir als Team ihnen gerne etwas für ihre (digitale) Zukunft mitgeben» sagt sie. Der respektvolle Umgang untereinander sei ein Thema, mit dem sich die Klassen die letzten drei Jahre sehr intensiv auseinandergesetzt hätte. Diese Regeln würden auch in den sozialen Medien gelten. «Wir möchten sie mit dem Workshop dazu ermutigen, die sozialen Medien nicht nur zu konsumieren, sondern diese auch aktiv mitzugestalten», so Mera Nevzati. «Auch ist es uns als Team wichtig, dass unsere Schüler befähigt werden zu erkennen, dass sich im Zusammenhang mit den sozialen Medien der Journalismus verändert hat und wie sie seriöse von unseriösen Seiten unterscheiden können, um Fake News zu erkennen und diese nicht weiterzuverbreiten.»
Bei den Schülerinnen und Schülern kommen die Referenten der Workshops an. «Es ist spannend, da sie unsere Sprache sprechen und als Influencer oder YouTuber wissen von was sie reden», meint Drittsekschülerin Tringa.
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