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Im zweiten Teil unserer Sommerserie über Kriminalfälle im Glattal: "Der Fluglotsenmord von Kloten"

Erstellt von Laura Hohler | |   Unsere Zeitung

Weil ein russischer Bauingenieur 2002 seine Familie bei einem Flugunfall verlor, rächte er sich knapp zwei Jahre später blutig am mitverantwortlichen Fluglotsen.

Ein schreckliches Flugzeugunglück ereignete sich vor 18 Jahren über der deutschen Kleinstadt Überlingen am Bodensee. In der Nacht des 1. Juli 2002 prallten auf elf Kilometer Höhe eine Passagier- und eine Frachtmaschine zusammen. 71 Menschen starben, davon 49 Kinder, die auf dem Weg nach Spanien waren. Der Grund für die Katastrophe war eine Verkettung diverser Pannen. So war der zuständige Fluglotse zum Zeitpunkt der Kollision alleine am Radar, was damals aber üblich war. Ausserdem funktionierte das Telefon nicht und das Warnsystem war wegen Wartungsarbeiten nicht in Betrieb. Zu den Toten zählten auch eine Frau aus der russischen Teilrepublik Nordossetien im Kaukasus, sowie ihre beiden vier- und zehnjährigen Kinder. Die Familie war auf dem Weg nach Spanien, wo sie den Vater besuchen wollten, der dort als Bauingenieur arbeitete. Der Hinterbliebene verlor danach die Kontrolle über sein Leben. Von dem Verlust von Ehefrau und Kindern konnte sich der damals 46-Jährige nicht mehr erholen. Jeden Tag verbrachte er stundenlang auf dem Friedhof in seinem Heimat, trug stets Fotos der toten Familienmitglieder mit sich und errichtete bei sich zuhause er eine Gedenkstätte.

Keine Entschuldigung von Skyguide

Da seitens der Skyguide, welche den Schweizer und angrenzenden Luftraum überwachte, keine Entschuldigung kam, sann der russische Vater auf Rache. Er war sich sicher, dass die Schweizer Behörden den zuständigen Fluglotsen nicht zur Rechenschaft ziehen würden. So machte er sich am 24. Februar 2004 auf den Weg nach Kloten, wo der Fluglotse, ein damals 36-jähriger Däne und Vater von drei Kindern, mit seiner Familie in einem Einfamilienhaus wohnte. In seiner Manteltasche versteckte der Russe ein Messer. Er wartete im Garten des Opfers, bis dieses herauskam. Als ihn der Fluglotse fragte, was er wolle, zeigte er ihm die Fotos seiner toten Angehörigen. Doch der Däne fühlte sich bedroht, stiess seine Hand weg und die Bilder fielen herunter. Da rastete der Russe aus und erstach den Fluglotsen mit dem Messer.

Verminderung der Schuldfähigkeit

Im Oktober 2005 wurde der russische Ingenieur vom Zürcher Obergericht zu acht Jahren Freiheitsentzug wegen vorsätzlicher Tötung verurteilt. Das damalige Kassationsgericht reduzierte 2007 die Strafe jedoch auf fünfeinviertel Jahre wegen schwerer Verminderung der Schuldfähigkeit aufgrund des erlittenen Traumas des Mannes. Auch das Bundesgericht bestätigte dieses Urteil und der Russe kam unverzüglich frei. Danach flog er umgehend in seine Heimat zurück, wo er als Held empfangen wurde. 2012, zehn Jahre nach dem tragischen Ereignis, nahm der Russe an der Gedenkfeier des Unglücks in Überlingen teil. Auch hatte erneut geheiratet und wurde im Dezember 2018 Vater von Zwillingen. Die Witwe des Fluglotsen ging nach der Tötung ihres Mannes in ihre Heimat Dänemark zurück.

2,3 Millionen Schadensersatz für Hinterbliebene

Insgesamt erhielten die Angehörigen der Opfer Entschädigungen in der Höhe von 2,3 Millionen Franken. Ausserdem verurteilte 2007 das Bezirksgericht Bülach vier damalige Skyguide-Kader-Personen zu bedingten Freiheitsstrafen wegen fahrlässiger Tötung. Die tragische Geschichte des Fluglotsenmords wurde zweimal verfilmt. Einmal 2017 in den USA mit Arnold Schwarzenegger in der Hauptrolle, sowie 2018 in Russland.

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