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"In der Kürze liegt die Würze, oder doch nicht?"

Erstellt von Tobias Günter, reformierter Pfarrer | |   Unsere Zeitung

Bestimmt ist Ihnen diese Redewendung geläufig. Ich persönlich mag es in allen Lebensbereichen kurz und knackig. So schätze ich die Fernsehsendung «10vor10» auf SRF 1 oder die Radiosendung «Info 3» auf SRF 3, mittags und abends. «In einen vollen Tag passt keine komplizierte Bank» lautet ein Werbeslogan der Valiant-Bank. Doch, warum ist uns Tempo oder eben Kürze so wichtig?

Das liegt, denke ich, vor allem daran, dass uns oft die Geduld fehlt. Das «Sein-Können-im-Moment» scheint uns, ob wir arbeiten oder Ferien haben, mehr oder weniger abhandengekommen zu sein. Wir versuchen doch Alle, in möglichst wenig Zeit möglichst viel herauszuholen, und zwar in allen Lebensbereichen. Auch die benediktinische Klosterregel hört sich kurz an, wobei es da nicht um Tempo und Abschliessen, sondern um Eingängigkeit geht.

«Bete und arbeite» oder lateinisch «Ora et labora» bringt die klösterliche Alltagsstruktur auf den Punkt. Man soll sich nicht im Sorgen und Arbeiten vergessen, sondern sich, im Gebet, immer klarzumachen versuchen, dass jedes Tun unter der Macht und Instanz des christlichen Gottes steht. Innehalten ist also, gemäss der benediktinischen Klosterregel, nicht nur notwendig, sondern sogar erwünscht. Innehalten und Durchatmen, auch für uns moderne Menschen, ausserhalb der mittelalterlichen Klostermauern, wichtig.

Nach einer vollbepackten Arbeitswoche sehnen wir uns in der Regel nach Entspannung und Gemütlichkeit, aber bitte ganz unkompliziert. Hier bedeutet das Sprichwort «In der Kürze liegt die Würze» wenig Aufwand betreiben, beispielsweise die Schlichtheit des «Gastgebens» würdigen. Eine solche Möglichkeit «schlichter Gemütlichkeit oder schlichten Gastgebens» sind für mich, insbesondere an Wochenenden, Pizzaabende. Schlichtheit oder Kürze bedeutet nicht, dass man sich keine Mühe gibt, sondern, dass man sich auf das Wesentliche konzentriert. Kürze wird nur dann und dort falsch verstanden, wo sie mit fehlendem Tiefgang und Zwang zur Schnelligkeit verwechselt wird.

Dass Kürze und Schlichtheit aber durchaus gehaltvoll sein können, hat vor 500 Jahren die Reformation gezeigt. Namhafte Reformatoren, und im Schatten bestimmt auch Reformatorinnen, haben damals betont, dass es Gott, die Gnade, der Glaube und die Bibel brauche um das Christentum als Religion besser zu verstehen. Ein Satz. Eine «schlichte», aber sehr bedeutungsvolle Botschaft. Viele Bilder wurden damals aus den Kirchen entfernt, damit diese «schlicht» wirken. Aus dieser Zeit kommt auch der Ausdruck «In die Predigt gehen.»

Ein bekanntes Kirchenlied bringt’s konkret auf den Punkt. «Nichts soll dich ängsten, nichts soll dich quälen. Gott allein genügt.» Schlichtheit kann auch bedeuten, dass wir uns in unserem Tun verlieren, vollkommen unsere Leidenschaft ausleben oder in unsere Arbeit vertieft sind. Wir wollen uns für eine uns wichtige Sache besonders viel Zeit nehmen. Dann sind wir bei der Konzentrationsfähigkeit, einer Eigenschaft, die man schon kleine Kinder lehrt. Sich beispielsweise nur mit seinen Körperfunktionen zu beschäftigen, zu meditieren, stillzusitzen, ganz bewusst die Atmung zu spüren.

Im ersten Moment kein Problem, auf den zweiten Blick aber gar nicht so schlicht, sondern eine sinnreiche Kunst. In diesem Sinne wünsche ich uns Allen, dass wir uns immer wieder den Sinn der Wörter vor Augen führen und, vor allem, Vieles selbst ausprobieren. Denn, die gefühlsmässige Erfahrung kommt vor dem Beschreiben. «Wenn wir immer tun, was uns gefällt, gehen wir immer das Risiko ein glücklich zu werden.» Dieser «schlichte» Satz löst doch unzählige, vielschichtige Bilder aus und bedeutet für jeden Menschen etwas Anderes. Alles Andere als schlicht. Allerseits einen gesegneten Sonntag.

Tobias Günter, reformierter Pfarrer

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