November und Dezember sind, beruflich und privat, «dichte Monate». Jahresabschlüsse, Firmen-Weihnachtsessen und allerlei Verpflichtungen als Eltern, Grosseltern, Gotti, Götti, im Bekanntenkreis, in der Freiwilligenarbeit oder als Vereinsmitglied erwarten uns. Wenn wir etwas müssen, sprechen wir, zumindest indirekt, von Zwang. Der schöne Teil der Arbeit gelangt, in Kombination mit der Konnotation des Wortes «müssen», etwas in den Hintergrund. Schon kleine Kinder sträuben sich oft dagegen «ins Bett zu müssen», obwohl ja der Schlaf grundsätzlich benötigt wird und sehr wohltuend ist. Müssen oder eben Zwang kann Druck erzeugen und, damit verbunden, die Frage aufwerfen: «Bin ich gut genug?» Das Leben in Konkurrenzverhältnissen, im Wettbewerb und mit der ständigen Frage des «Gut-genug-Seins» im Hinterkopf kann uns verunsichern, lähmen, Angst machen. Natürlich, Leistung per se ist nicht grundsätzlich schlecht, doch dort, wo das Leistungsprinzip über der Menschlichkeit steht, sei es am Arbeitsplatz in Teams oder auch unter Jugendlichen rund um Instagram und Schönheitsideale, da schrillen bei mir die Alarmglocken. Wir sollten uns in unseren täglichen Verpflichtungen immer mal wieder fragen können: Wofür mache ich, was ich mache? Wo und wann muss ich gar nichts? Wo, wann oder bei wem darf ich mich einfach hingeben und so sein, wie ich bin? Im Römerbrief Kapitel 1, Vers 17 heisst es: «Der Gerechte wird aus Glauben leben.» Dieser Satz half Martin Luther, dem wohl bekanntesten Reformator, vor rund 500 Jahren sehr, sich Gott einfach hinzugeben und sich als Mensch zu fühlen. Bei Gott gibt es kein Pflichtenheft. Gott ruft uns einfach so, aus lauter Gnade, und wir können mit ihm gehen. Gott macht sich mit jeder und jedem von uns auf den Weg. Wir sind nicht gut genug, weil wir genug Gutes tun, sondern das Gute, das wir tun, folgt, wenn wir empfänglich sind für Gottes Gnade, für Gottes ersten Schritt auf uns zu. Dank der unendlichen Gnade Gottes sind wir gerecht oder zumindest gerechtfertigt und können aus unserem Glauben heraus leben. So können wir, auch in schwierigen Situationen, getrost sagen: «Ich bin, mit Gottes Hilfe, gut genug, ohne ständig etwas zu müssen.» Ich wünsche Ihnen einen erholsamen Sonntag,
Tobias Günter, reformierter Pfarrer


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