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«Töffli-Terror», ausgebüxte Schafe und das stetige Patrouillen-Abenteuer

Erstellt von Toni Spitale | |   News

Georges Poli und Roland Vetter, der erste und der zweite Chef der Gemeindepolizei Volketswil-Schwerzenbach, haben die Entwicklung der Organisation in den vergangenen vier Jahrzehnten massgeblich mitgeprägt. Anlässlich des Jubiläums blicken sie auf Schönes, aber auch auf Unschönes zurück und erzählen von den Herausforderungen aus ihrem Polizeialltag.

 

Zum Gespräch mit der «VoNa» empfängt Roland Vetter seinen Vorgänger Georges Poli (1985 bis 2014) in seinem Büro im gemeinsamen Posten der Gemeinde- und Kantonspolizei im Erdgeschoss des Gemeindehauses. Der heute im schaffhausischen Wilchingen lebende Poli erinnert sich im Detail an seine ehemalige Amtszeit zurück.

«Hier war die Hölle los»

Obwohl die Gemeindepolizei (Gepo) erst 1985 gegründet wurde, war Poli schon seit 1976 als Polizist – damals noch als «Kantönler» , wie er sagt – in Volketswil im Einsatz. Durch den Bau des Sunnebüelquartiers hat sich die Bevölkerung quasi über Nacht nahezu verdreifacht: «Hier war die Hölle los, wir hatten immer etwas zu tun. Verhaftungen, Betrunkene, Verkehrsunfälle.» Doch da die personellen Ressourcen der Kantonspolizei (Kapo) im Gebiet knapp waren, hatte sie kaum Zeit, sich um Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu kümmern. 1983 kam der Gemeinderat zur Überzeugung, dass die Zeit für die Schaffung einer eigenen Gemeindepolizei reif war. Also beauftragte er den Polizeisekretär Ernst Albrecht – der zuvor den Kapo-Posten im Mehrzweckgebäude (heute VitaFutura) führte –mit den Vorbereitungen. 1984 erteilte die Gemeindeversammlung grünes Licht. Poli bewarb sich und mit ihm zwei weitere Kantonspolizisten, Hans Meier von der Kapo Basel-Stadt und Werner Lendenmann von der Kapo Schaffhausen. «Dadurch hatten wir von Beginn an bei den Kollegen der Kantonspolizei eine hohe Akzeptanz und konnten miteinander auf Augenhöhe funktionieren.»

Fast jedes Töffli war frisiert

Polis Aufgabe als erster Polizeichef bestand darin, die Gepo aufzubauen und weiterzuentwickeln. Als Organisation hatte sie den Auftrag, mit ­einer hohen Aussendienstpräsenz nicht nur Repression, sondern auch Prävention zu betreiben, und dies an sieben Tagen der Woche während 24  Stunden. Das heisst, dass jeweils nach einer regulären Tagesschicht auf Patrouille oder im Posten die offizielle Telefonnummer nach Hause umgeleitet wurde. «Und wenns dann in der Nacht läutete, ist man wieder ausgerückt.» Mit dem damaligen Personalbestand von drei Personen sei das eine Herausforderung gewesen, heute wäre dies absolut undenkbar, so Poli. Ab 1987 konnte der Personalbestand aufgrund der grossen Belastung kontinuierlich erhöht werden. Zur gleichen Zeit streckte Poli die Fühler nach einer Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden aus. Nach mehreren erfolglosen Anläufen kam 1995 der Regionalverbund mit vier Gemeinden zu Stande. Einerseits gab es für die einzelnen Organisationen dadurch eine personelle Entlastung, andererseits konnte die Patrouillentätigkeit für die Bevölkerung während der Nacht erhöht werden, insbesondere auch während Grossereignissen wie bei Stadt- und Dorffesten. Poli, seit 12 Jahren nicht mehr im Dienst, erinnert in seinen Ausführungen an den «Mofa-Terror», einer Zeit, in der fast jedes Töffli frisiert war. «Es wurde zu schnell gefahren, gelärmt, und gefährlich war es auch noch.» Mindestens 30 bis 40 Mofas pro Jahr wurden von der Gepo konfisziert. Gefährlich wurde es für den Polizeichef, als er einmal wegen häuslicher Gewalt zu einer Wohnung im Zänti ausrücken musste, ganz alleine, ohne Begleitung, wie es zu den Anfangszeiten noch üblich war. «Die Tür öffnete sich und ich blickte direkt in den Lauf einer Pistole. Das hätte auch anders ausgehen können. Dann würde ich heute nicht mehr hier sitzen.» Immerhin hatte Poli zu Beginn noch einen vierbeinigen Begleiter – Kony von Schnabelburg –, der ihn auf den Patrouillen unterstützte. «Wenn ich mich mit dem Hund jeweils einer Gruppe Jugendlicher annäherte, wirkte das bereits deeskalierend.»

Leidtragende Töchter

Für ihn sei es immer eine grosse Genugtuung gewesen, wenn er in seinem Wirken jemandem helfen konnte, zum Beispiel in Fällen von häuslicher Gewalt. Der Aggressor konnte damals, wegen fehlender Gesetzesgrundlage, noch nicht verhaftet werden. Also schauten er und sein Team, dass sie zumindest der betroffenen Ehefrau und den Kindern helfen konnten, indem sie ihnen einen sicheren Aufenthaltsort verschafften. «Bei solchen Hilfeleistungen durften wir grosse Dankbarkeit erfahren.» Gewalt gegen Frauen und Kinder verurteilt Poli aufs Schärfste. «Das waren die unschönen Geschichten in meiner Karriere.» Dass er sich nebenbei als Fussballtrainer im örtlichen FC engagierte, habe sich ebenfalls positiv auf seine Arbeit und auch die Jugendlichen ausgewirkt. «Der mir entgegengebrachte Respekt in Volketswil war deutlich spürbar.» Leidtragende seiner Polizistentätigkeiten seien hingegen seine drei Töchter gewesen, als sie in der Oberstufe waren. Immer wieder mussten sie sich von Mitschülern Klagen wegen von ihm ausgesprochenen Verwarnungen oder ausgestellten Bussen anhören. Traurig stimmt es den ehemaligen Polizeichef, dass es während seiner Amtszeit im öffentlichen Raum in Volketswil insgesamt drei Tötungsdelikte gab. Dass ihn diese Ereignisse aber nachhaltig beschäftigt oder belastet hätten, sei nicht der Fall gewesen. «Ich bin ein Mensch, der gut abschalten kann.»

Aufhören bereitete Mühe

Ohne zweimal überlegen zu müssen, würde er heute, wenn er nochmals vor der Berufswahl stünde, erneut die Polizistenlaufbahn einschlagen. Die Vielseitigkeit des Berufes mache es aus. Erst im Alter von 28  Jahren trat er in die Polizeischule ein. Er absolvierte zuerst eine Lehre als Elektromaschinenbauer und machte dann später berufsbegleitend eine KV-Ausbildung. «Ich stand vor meinem Übertritt zur Polizei also mit beiden Füssen im Leben, hatte bereits eine Familie gegründet und wusste auch, was es bedeutet, Verantwortung zu übernehmen.» Das Aufhören hätte ihm Mühe bereitet, räumt Poli ein. «Der Polizistenberuf ist für mich nicht nur Beruf, sondern Berufung.» Die Kontakte zu seinem ehemaligen Team hat er bis heute aufrechterhalten.Regelmässig kehrt er an seinen ehemaligen Wirkungsort zurück. Zudem engagiert er sich im Vorstand des Vereins der Pensionierten der Kantonspolizei Zürich, wo er für die Durchführung von Ausflügen und Besichtigungen zuständig ist.

Neue Formen von Straftaten

Mit welchen Herausforderungen sieht sich die Gemeindepolizei heute konfroniert? Mit dieser Frage leitet die VoNa das Gespräch auf Roland Vetter über. Aus seiner Sicht sind die Anforderungen an den modernen Streifenpolizisten in den vergangenen 25 Jahren kontinuierlich gestiegen. Die Polizei sei dabei nicht nur dem immer schneller fortschreitenden technologischen Wandel ausgesetzt, sondern sehe sich auch regelmässig neuen Gesetzesänderungen gegenüber, die zu fortwährend aktualisierten Arbeitsanweisungen führten. «Insbesondere», so betont Vetter, bringt der digitale Raum ständig neue Formen von Straftaten hervor, wodurch die Ermittlungen zunehmend komplexer werden und vermehrt spezialisierte Fachkräfte erfordern.» Zu den aktuellen Brennpunkten meint Vetter, dass es für eine Ag­glomerationsgemeinde in dieser Grösse in Volketswil im Allgemeinen «sicher» ist. Die aktuellen Zahlen aus der Polizeilichen Kriminalstatistik würden dies bestätigen. Für Unmut sorgen schon seit Jahren sogenannte Autoposer. Durch Präsenz und gezielte Aktionen versuche die Gepo, die Störer zu verzeigen beziehungsweise abzuhalten und eine grössere Szene wie andernorts zu vermeiden.

Dreimal mehr Ressourcen

Welche Auswirkungen haben die gesellschaftlichen Veränderungen auf die tägliche Arbeit der Kommunalpolizei? Durch die zunehmende Individualisierung fehle in vieler Hinsicht ein gemeinsamer Nenner im Bereich von Sitte und Anstand, was oftmals als Respektlosigkeit angesehen werde. «In solch niederschwelligen Konflikten versuchen wir, so gut es geht zu vermitteln.» Gleichzeitig seien die Anforderungen an die Kommunikationsfähigkeit der Polizistin und des Polizisten gestiegen und die Arbeit der Polizei werde öfters kritisch hinterfragt. Wenn es einen grundlegenden Wunsch an die Politik gibt, welche die Gesetze festlegt, die von den Ordnungskräften tagtäglich durchgesetzt werden, dann ist es die Bereitstellung von entsprechenden Ressourcen. Diesbezüglich dürfe die Gepo dem ­Gemeinderat aber ein Kränzlein winden, findet Vetter. Die Gepo Volketswil könne dank moderner ­Ausrüstung und guter Ausbildung ­ihren Auftrag gewissenhaft wahrnehmen. Das heutige Team besteht aus zehn Polizistinnen und Polizisten, davon eine 50-Prozent-Teilzeitstelle und ein Polizeiassistent. Gegenüber den Anfängen vor 40 Jahren bedeutet dies eine Verdreifachung der personellen Ressourcen. Hat der Chef neben seiner Führungsaufgabe überhaupt noch Zeit, um an der Front Einsätze zu leisten? Die Leitung des Korps sei sehr vielfältig und spannend. Entsprechend gut gefüllt sei sein Terminkalender. Dennoch versuche er, gelegentlich Fronteinsätze zu leisten, damit er à jour bleibe. Ausserdem mag Vetter das Abenteuer des Patrouillendienstes, weil man nicht wisse, was einen am nächsten Einsatz erwarte. Wenn auf Patrouille, dann ärgert er sich – als friedliebende Person – über allzu emotional ausgetragene Streitigkeiten, die ausarten und einen Polizeieinsatz nötig machen. Es wünsche sich, dass solche Konflikte vermehrt durch die Parteien sachlich diskutiert werden und eine gemeinsame Lösung gefunden wird. Nach einem erfolgreichen Einsatz freut er sich, einen weiteren sinnvollen Beitrag zugunsten der Bevölkerung erbracht zu haben, ganz getreu dem Motto: «Die Polizei, dein Freund und Helfer.»

«Wir sind schnell vor Ort»

Umfragen zufolge geniesse die Polizei ein hohes Mass an Vertrauen in der Bevölkerung. «Wir werden von Leuten in allen möglichen Lebenslagen angesprochen, um in rechtlichen Fragen zu beraten und möglichen Lösungen für Probleme aller Art zu erörtern. Aber auch beim Einfang ausgebüxter Schafe oder bei First-Responder-Einsätzen bieten wir unsere praktische Hilfe an.» Die Kommunalpolizei sei nicht zuletzt auch dadurch stark, dass sie bürgernah agieren könne. «Wir sind schnell vor Ort, wenn etwas ist. Und obwohl Volketswil schon annähernd 20 000 Einwohner hat, kennt man uns und wir werden von der Bevölkerung wahrgenommen.» Als Kind hatte Vetter den Traum, Lokführer zu werden. Nach einer Lehre als Kunststofftechnologe und einer zweiten Berufsausbildung als Chemielaborant zog es ihn zur Polizei. «Weil ich eine sinnstiftende, abwechslungsreiche Tätigkeit suchte und draussen etwas erleben wollte. So kam ich zu den Ordnungshütern und war in den ersten Jahren mit grossem Herzblut Verkehrspolizist.» Bis zu seiner Pensionierung dauert es noch acht Jahre. Vetter hofft, dass er danach noch lange bei guter Gesundheit Auen und Wälder zu Fuss und mit dem Bike durchstreifen und dabei mit seiner Fotokamera Naturbilder einfangen kann.

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