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«Wer zu mir kommt, die / den werde ich nicht abweisen»

Erstellt von Tobias Günter | |   Unsere Zeitung

Die Jahreslosung fürs Jahr 2022 ist eine Aussage von Jesus Christus: «Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen (Joh. 6,37).» Was verbinden Sie mit dem Jahr 2022? Inwiefern ist es anders als 2020 oder 2021? Haben Sie in den ersten 7 Wochen etwas Besonderes erlebt? Die Jahreslosung 2022 spricht eines unserer Grundbedürfnisse an; das Bedürfnis nach Zuwendung. Zuwendung aber braucht Aktion, sie wird insbesondere erwachsenen Menschen nicht bedingungslos zu Teil. Ohne Kommunikation keine Zuwendung. Meistens bedienen wir uns dafür des Smartphones oder des Computers, doch auch das Telefon und das «Von-Tür-zu-Tür-Gehen» haben glücklicherweise noch nicht ausgedient. Dazu kommt mir das alljährliche, weihnächtliche Kurrende-Singen in den Sinn, welches gespickt ist von meistens freudigen «Türmomenten.» Auch der Halloween-Abend ist meistens voll von freudigen «Türmomenten» mit fröhlich-gruseligen Kindern, die nach Süssigkeiten fragen.

 

Das Gefühl, vor einer Tür zu stehen und nicht zu wissen, wer einen wie empfängt und was einen dahinter erwartet, kennen wir alle. Jede Tür kann andere Gefühle in uns auslösen. Stehen wir vor dem Amtszimmer einer Behörde, der Haustür von Freunden, der Sprechzimmertür einer Arztpraxis oder stürmen gleich unsere Kinder oder Enkel herein? Unzählige "Türmomente" erleben wir im Laufe unseres Lebens. Auch Jesus und die Menschen um ihn herum kennen "Türmomente". Aufgrund seiner kompromisslosen und direkten Verkündigung stiess Jesus nicht nur auf Wohlwollen. Er erlebte Abweisungen und Beschimpfungen bis hin zum gewaltsamen Tod am Kreuz unter dem römischen Statthalter Pontius Pilatus und der Jerusalemer Tempelaristokratie. Dazu steht ebenfalls im Johannesevangelium: «Er war in der Welt und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht (Joh. 1,10).»

Schön, dass Jesus, ganz im Sinne der Bergpredigt, nicht Gleiches mit Gleichem vergilt, sondern nach wie vor den ersten Schritt auf uns Menschen zu macht und Niemanden abweist. In unserem Alltag aber kennen wir Alle Situationen, in welchen wir Jemanden abgewiesen haben oder selbst abgewiesen wurden. Ich denke hier vor allem an Call-Center-Mitarbeitende, die uns, am Feierabend oder an Samstagen, durch ihre Anrufe, natürlich völlig unabsichtlich, stören. Auch Jugendliche bilden Peergroups und grenzen sich damit aktiv gegen Andersdenkende und/oder Erwachsene ab, ohne ihnen Böses zu wollen. Selbst in Kirchgemeinden grenzen wir uns ab und weisen – mehr oder weniger bewusst – gewisse Menschen ab. Ich denke dabei zum Beispiel an Menschen mit anderen Frömmigkeitsstilen, «Anders-Gläubige», «Nicht-Gläubige», wo sich uns vielleicht manchmal die Frage stellt: Wer gehört eigentlich dazu? Zu Jesus? Zur Gemeinde? Und vor allem – wer nicht? Es ist gut zu wissen, dass es nicht an uns ist, das zu entscheiden. Jesus selbst lädt ja zu sich ein und er hat keine Berührungsängste.

Bei Jesus ging und geht es eben nicht darum auszusortieren, wer zu ihm gehört und wer nicht. Es geht nicht darum, wer die richtigen Formeln beim Beten und Sprechen benutzt und wer nicht. Es geht nicht darum, wer die richtigen theologischen Ansichten teilt oder wer sein Leben gut sortiert hat und wer nicht. Wir Alle sind eingeladen – genauso wie wir sind. «Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen (Joh. 6,37).» Mir selber macht die Jahreslosung fürs Jahr 2022 Mut: Es gibt ein Gegenüber, das da ist, das mich und keinen Menschen abweist. So wie ich als Kind an der Hand meiner Eltern Geborgenheit erfahren durfte, ist immer jemand da, dessen Tür für mich offen ist und wo ich jederzeit willkommen bin. Oder jugendgerechter ausgedrückt: Die 2017 von Popsänger Adel Tawil aufgeworfene Frage «Ist da Jemand?», bleibt nicht unbeantwortet.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag.

Tobias Günter, reformierter Pfarrer

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