In der Schweiz streiten wir in vielen Angelegenheiten über den richtigen Weg. Nicht zuletzt im Zusammenhang der Corona-Epidemie. Aber vielleicht können wir heute mal unsere besondere demokratische Struktur der Eidgenossenschaft in den Mittelpunkt stellen. Und das feiern, was schon zusammengewachsen ist. Ob eine Beziehung auf Dauer zusammen geht, kann man – glaube ich – auch daran ablesen, wie zwei zusammengehen. Ob und wie sie zusammengehen. Das klingt Ihnen zu theoretisch? Mir ist der Gedanke gekommen bei einem Stadtbummel. Ein Paar ist mir aufgefallen, in ganz alltäglichen Situationen. Und irgendwie schien mir: So könnte es gehen, wenn es auf Dauer zusammen gehen soll. Erste Situation: Ein grosser Platz, Touristen, alle Kameras klicken auf den berühmten Dom. Bei den meisten geht es touristisch rasch. Da sind mir die beiden das erste Mal aufgefallen. Er probiert ausführlich mehrere Objektive, bis er endlich das Passende hat. Sie sitzt die ganze Zeit ruhig daneben, lässt ihn machen, wirkt auch nicht ungeduldig. Mischt sich nicht ein, ist aber durchaus nicht desinteressiert. Nach den Fotos ziehen die beiden Arm in Arm weiter. In der Fussgängerzone sehe ich sie wieder: vor dem Schaufenster eines Goldschmieds. Sie studiert fasziniert die Auslagen. Er schaut ihr über die Schulter. Nimmt anscheinend Anteil, weil sie so viel Spass daran hat. Die dritte Situation: ein Pflasterweg. Holprig und sehr steil geht es bergab. Er geht zuerst zügig vornweg. Sie zögert. Als er das merkt, reicht er ihr den Arm, bis der Weg wieder leichter wird. Ist es nicht so, wenn es in einer Beziehung auf Dauer zusammen gehen soll? Man ist nicht in allem gleich gut und gleich schnell. Man interessiert sich nicht für dieselben Dinge. Das würde auch langweilig, wenn man sich zu gleich wäre. Die Kunst des Zusammenbleibens ist, dass man bereit ist, aufeinander zu warten, wenn einer sich für etwas Zeit nehmen will. Oder wenn er mehr Zeit braucht. Und wenn man sich nicht für das Hobby und den Beruf des anderen begeistern kann. Dann doch dafür, was es dem anderen bedeutet. Man muss nicht wissen, was abseits ist, wenn der Partner ein grosser Fussballfan ist. Aber er/sie kann mitfühlen, wenn die Lieblingsmannschaft verloren hat, und man muss auch keine dummen Bemerkungen darüber machen. Solches Mitfühlen braucht es, wenn es auf Dauer zusammen gehen soll. Man muss nicht alles miteinander machen, aber wenn der eine Hilfe braucht und eine Stütze, dann ist es gut, wenn der andere da ist. Am besten, ohne dass man gross darum bitten muss. Auch in Kirchgemeinden kommt es vor, dass die einzelnen Mitglieder der Gemeinde oder der Kommissionen sich uneinig sind. Das war schon so, als die christliche Kirche entstanden ist. Der Apostel Paulus hat in mehreren Briefen was dazu geschrieben. In einem hat er so formuliert: «Brüder und Schwestern, beim Namen unseres Herrn Jesus Christus bitte ich euch: Seid einig und lasst nicht zu, dass sich verschiedene Lager unter euch bilden! Haltet vielmehr zusammen in gleicher Überzeugung und gleicher Meinung.» Für mich heisst das: Es macht einen Unterschied, ob ich zuerst auf das Trennende schaue – oder auf das verbindende Ganze. Christen haben Jesus Christus als gemeinsamen Gott, an dem orientieren sie sich. Deshalb gehören sie zusammen. Und wenn ich mir das klarmache, kann man über unterschiedliche Ansichten ins Gespräch kommen. Man muss sich nicht trennen.
Vergesset nicht Freunde
wir reisen gemeinsam besteigen Berge
pflücken Himbeeren lassen uns tragen von den vier Winden
Vergesset nicht es ist unsre gemeinsame Welt die ungeteilte ach die geteilte die uns aufblühen lässt
die uns vernichtet diese zerrissene ungeteilte Erde auf der wir gemeinsam reisen
(Rose Ausländer in: Ich höre das Herz des Oleanders. Gedichte 1977–1979, S. Fischer, Frankfurt 1984)
Sabine Mäurer, reformierte Pfarrerin
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